Holzschnitt 1510
    
Niklaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Der Konflikt um das Frauenkloster Klingental
  
Quelle Nr. 025

  

  
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Zeit: 6. Januar 1482
  
Herkunft: Staatsarchiv Basel Stadt, Klosterarchiv Klingenthal, H. H. 2
  
Kommentar: Das politische Verhältnis zwischen den Eidgenossen und Habsburg- Österreich war nie besser als zur Zeit Erzherzogs Sigmund, der vorwiegend in Innsbruck residierte, unterbrochen durch den Krieg nach Sigmunds Überfall auf Mülhausen und den danach folgenden «Waldstädterkrieg». Stadt und Bistum Basel sowie das angrenzende Elsass (Sundgau) sowie weite Teile des Breisgaus gehörten vor 1469 zum Schutz- und Hoheitsgebiet Österreichs. 1431 beauftragte Sigmunds Vater, Herzog Friedrich IV., Generalkapitän der römischen Kirche und Graf von Tirol, die Eidgenossen mit dem Schutz des Basler Konzils. 1469 musste der hoch verschuldete Herzog Sigmund die ganze Region an den Herzog von Burgund, Karl den Kühnen verpfänden, dessen Vogt Peter von Hagenbach ein strenges Regiment führte. 1474 kam es sogar zu einem Bündnis zwischen Sigmund, Herzog von Österreich, und den Eidgenossen – die «Ewige Richtung» –, kurz zuvor führten sie noch Krieg gegeneinander, als die Berner und Solothurner die verbündete Stadt Mülhausen gegen die Österreicher verteidigen halfen (vgl. auch Quelle 007). Nach 1477 kamen Rechte und Pflichten über die Region wieder zum Habsburger Potentat – Sigmund ist jetzt sogar Erzherzog –, wobei die Eidgenossen erneut diverse Aufgaben zu übernehmen hatten (Polizeiaufsicht und Rechtsprechung), nicht zuletzt auch um die zentralistischen Interessen Österreichs gegenüber dem Adel der Region durchzusetzen.
  
Der habsburgische Erzherzog Sigmund in Innsbruck verstand sich gut mit den Eidgenossen. Seine Boten kamen hin und wieder in den Ranft zu Bruder Klaus. Der Erzherzog und seine schottische Gattin Eleonora (Tochter von König Jakob I.) hatten ein gutes Verhältnis zum Einsiedler. Für seine Kapelle waren sie grosszügige Spender. So schenkten sie ihm einen goldenen Messkelch mit der eingravierten Jahreszahl 1473 sowie andere Geräte und Gewänder für die Kapelle im Ranft. 1480 schickt der Herzog Bruder Klaus noch zusätzlich hundert Gulden für eine ewige Messe in der Ranftkapelle (Quelle 018). Dass der Eremit mit dem Habsburger Sigmund in bestem Einvernehmen stand, hatte sich herumgesprochen. So wurde bisweilen versucht, Bruder Klaus als Fürsprecher zu gewinnen. Als solcher wurde er im Januar 1482 von den Dominikanern angefragt. Der Einsiedler sollte beim adligen Herrn vermitteln, dass das Schwesternkloster Klingental (Hoheitsgebiet des Herzogs) bei Basel eine neue Ordnung erhalte.
  
Die Anfrage kam nicht lange nach den Tagen des Stanser Verkommnis’. Offenbar war die Vermittlung von Bruder Klaus in einer ausweglos erscheinenden Situation sehr schnell über die Grenzen hinaus bekanntgeworden. Hier ging es nun darum, dass im Frauenkloster Klingental neue Verhältnisse geschaffen werden sollten, aber nicht alle Beteiligten mitmachen wollten. Der Streit weitete sich aus und versetzte eine ganze Region in Unruhe. Darum sollte der Landesherr (Erzherzog Sigmund) zum Einschreiten bewegt werden. Bruder Klaus erhielt einen Brief von den Dominikanern in Basel, mit der Bitte beim Erzherzog zu vermitteln. – Bemerkenswert ist in der Anrede der Beiname Jesu «fridmacher» (Friedensstifter), was theologisch gesehen auf Leiden und Sterben Jesu am Kreuz hinweist, wodurch er Frieden gestiftet hat. Bruder Klaus wird erst dadurch selber zum Friedensstifter, indem er intensiv hinschaut auf den ersten Friedensstifter und eben dieses Hinschauen (Passionsbetrachtung) zum Hauptinhalt seines Eremitendaseins macht.
  
Der im Brief erwähnte Graf Oswald von Thierstein (†1488) war in der Schlacht bei Murten Kommandant der österreichischen Kavallerie des Erzherzogs Sigmund von Österreich und in der gleichen Funktion siegreich in der Schlacht bei Nancy (5. Januar 1477) zu Gunsten des verbündeten Herzogs René von Lothringen. Für seine Dienste im Auftrag Vorderösterreichs erhielt er 1479 als Lehensgut die Hohkönigsburg im Elsass; er liess die Ruine zusammen mit seinem Bruder Wilhelm wieder aufbauen. – Der ursprüngliche Stammsitz der Familie war die Burg Alt-Thierstein bei Gipf-Oberfrick (Aargau), später wurde die Neu-Thierstein bei Büsserach (Kanton Solothurn) gebaut. – Graf Oswald von Thierstein hatte bezüglich des Klosters Klingental, das sich auf vorderösterreichischem Territorium befand, die Funktion eines Schutzherrn und Richters inne. Er vertrat in dieser Angelegenheit eindeutig die offizielle Haltung seiner Dienstherren im Hause Habsburg, Erzherzog Sigmund und Kaiser Friedrich III. Der Graf erhielt für sein Verhalten auch den Spottnamen «Nonnentröster». Das Ansinnen der Prediger, gegen die Entscheidung Österreichs zu protestieren, hätte also kaum erfolgreich sein können.
  
Wie ging es dann mit der Angelegenheit um das Frauenkloster Klingental in Kleinbasel, nördlich des Rheins weiter? Und wie war überhaupt der historische Hintergrund? – Das Kloster war mit Abstand das reichste der Gegend. Es besass viele Ländereien bis weit in den Breisgau hinein – Hoheitsgebiet des Erzherzogtums Österreich und altes Stammland der Habsburger. Nach dem kanonischen Recht unterstanden die Klosterfrauen dem Bischof von Konstanz. Das Kloster Klingental war für die Versorgung der Stadt Basel mit landwirtschaftlichen Produkten lebenswichtig. Die Schwestern führten nach Ansicht der männlichen Kollegen ein «verweltlichtes» Leben. Diese Ansicht war damals jedoch kontrovers. Mehrheitlich wollten die Schwestern im Klingental die Reform nicht, welche die Hardliner des Männerordens der Prediger (Dominikaner) ihnen aufzwingen wollten. Die Angelegenheit wurde in Basel zu einem Politikum und spaltete die Stadt. Offensichtlich wurde eine Versorgungskrise befürchtet, den das reiche Frauenkloster hatte einen sehr grossen Besitz an landwirtschaftlicher Nutzfläche bis weit in den Schwarzwald hinein. In ihrem radikalen Eifer, die Reform auf Biegen und Brechen durchzusetzen, jagten die eher ärmeren Prediger die Dominikaner-Frauen aus deren Kloster davon und ersetzten sie durch ergebene Schwestern (Observantinnen) aus einem anderen Kloster. Doch nicht lange und die alten Frauen konnten zurückkehren, währenddem die neuen Schwestern nun Klingental verlassen mussten. Die Causa Klingentalensis gelangte bis nach Rom, wo Papst Sixtus IV. noch 1482 mit einer Bulle die Entscheidung bekannt gab. Die Reform, die eigentlich eher eine Gegenreform gegen die weltoffene Spiritualität der Werke der Barmherzigkeit gewesen wäre, wurde daraufhin nicht durchgeführt. Prior und Konvent in Basel wurden sogar bestraft. Zudem wurde den Dominikaner Männern die spirituelle Betreuung Klingentals entzogen, die zwischenzeitlich an die Augustiner Eremiten übertragen wurde. 1483 folgte dann der endgültige Bruch, das Frauenkloster schloss sich den Augustiner Chorfrauen der «modernen» Richtung (Devotio Moderna) an, sie wurden auch «Schwarze Beginen» genannt) an. Dies bedeutete, dass sie sich als «Beginen» mehr in der Verantwortung für die Menschen der Umwelt öffneten und soziale Aufgaben (Werke der Barmherzigkeit) wahrnahmen. Die sie betreuenden Augustiner Eremiten (zu denen später in Sachsen ja auch Martin Luther gehörte) waren diesbezüglich schon lange die Vorreiter, ihren Ansichten schlossen sich dann auch die Chorherren von St. Leonhard 1462 im Rahmen der Windesheimer Kongregation an. Die männlichen Dominikaner stellten sich solchem Ansinnen vehement in den Weg, ihrer Doktrin gemäss gehörten die Schwestern allein nur hinter die Klostermauern, streng abgeschirmt vom Leben draussen in der Welt. Erst Jahrhunderte später wurde der weltoffene Dritte Orden der Dominikanerinnen gegründet. Die ganze Devotio Moderna mit dem sozialen Engagement war ihnen ein Dorn im Auge. Den «barmherzigen Schwestern» Verweltlichung vorzuwerfen war jedenfalls völlig unberechtigt, es ging bereits damals einfach um eine andere Form der Nachfolge Christi, um die praktizierte Nächstenliebe (caritas).
  
Prior des Basler Predigerkonvents war seit 1481 übrigens Stephan Irmi, Bruder des Kaufmanns und Juristen Hans Irmi des Jüngeren. Stephan Irmi war kurze Zeit darauf involviert in die Aktivitäten des Erzbischofs Andreas Camaj [Andrija Zamometič, 1420 in Kroatien geboren, Dr. theol., früher Dominikaner und Professor in Padua und einst befreundet mit Francesco della Rovere, dem späteren Papst Sixtus IV. (Franziskaner)] (vgl. auch Quelle 034), der 1482 in Basel ein neues Reform-Konzil organisieren wollte, um Papst Sixtus IV. abzusetzen. Der Erzbischof von Cranea (Kraina in Albanien, Epirus) wurde jedoch bald darauf exkommuniziert und auf Grund eines kaiserlichen Erlass’ in Basel verhaftet. Dass der Dominkanerprior, Stephan Irmi, dabei nicht straflos davonkommen konnte, liegt auf der Hand. Über die Stadt Basel wurde zudem ein Interdikt (Verbot der Messe etc.) verhängt, das erst am 23. Januar 1485 wieder gelöst wurde.
  
Wie Klaus von Flüe wirklich auf den Brief des Predigerkonvents in Basel reagierte, ist nicht bekannt. Obwohl der Eremit im Ranft selbst ein sehr strenges Leben führte, ist nicht anzunehmen, dass er die Pläne der Hardliner der Prediger voll und ganz unterstützen konnte, die in Teilen wohl über das Ziel hinausschossen, überall Häresie und Ungehorsam witterten und immer gleich mit dem Kirchenbann drohten, obwohl sie oft gar nicht eine entsprechenden Position in der Kirche innehatten. Die Prediger hatten ihre Mitschwestern gewaltsam aus ihrem Kloster vertrieben, dass der Eremit im Ranft eine solche Form von Gewalt auch nur ein wenig hätte gutheissen können, ist völlig undenkbar, sein Denken und Handeln war stets auf Deeskalation ausgerichtet. – Bruder Klaus liess sich zudem in diesem Politikum bestimmt nicht gegen die päpstliche Entscheidung involvieren. Auch ein österreichisch-eidgenössisches Schiedsgericht konnte daraufhin nicht anders befinden, die Prediger mussten den Frauen sogar 11’500 Gulden an Entschädigung zahlen. An der diesbezüglichen Urkunde befindet sich auch ein Siegel des Sohnes, Hans von Flüe, damals Landammann von Obwalden.
  
Dass Bruder Klaus mit seiner besonderen Spiritualität wegen dieses Briefes, wegen der Anrede «mittbruder», nun gleichsam ein Mitglied einer spezifischen Gebetsbruderschaft der Dominkaner gewesen sei, wäre masslos übertrieben. Sein Verhältnis zu den ihn immer wieder als Inquisitoren heimsuchenden Dominikanern war im übrigen nicht besonders gut (vgl. Quelle 005 und Quelle 029). Es war damals normal, dass sich engagierte Christen gegenseitig als «Bruder» oder «Mitbruder» anredeten. Eine weitere, einschränkende Bedeutung hatte der Titel nicht. Diese Anrede ist lediglich eine taktisch motivierte Höflichkeitsfloskel, um besser an Bruder Klaus heranzukommen, um vorausschickend zu suggerieren, er hätte ja die gleichen Ansichten wie sie, die Prediger. Im Blick auf den geschichtlichen Kontext des damaligen Basel und auf die eigenen Begegnungen Klausens mit den Dominikanern wäre also die Anrede ein «erratischer Block», ja fast schon eine Anmassung. Wie oben bereits erwähnt, war der Prior, Stephan Irmi, ja zur gleichen Zeit in die Umtriebe verstrickt, ein zweites Konzil in Basel zu organisieren, auf welchem Papst Sixtus IV. hätte abgesetzt werden sollen.
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 175–176

  

   An unseren Mitbruder und Fürbitter vor Gott! – Zuerst das Gebet zu Jesus, dem Friedensstifter. – Andächtiger, lieber Bruder Klaus! Als der ehrwürdige Vater Baccalaureatus [Ulrich Zehenter aus Wien, Stellvertreter des Provinzials der Dominikaner], unser Mitbruder, am Abend vor den Heiligen Drei Königen [1482, 6. Januar] von Euch wegging, sagtet Ihr ihm, so wie wir verstanden haben, dass Ihr in Gottes Willen dem Herzog von Österreich schreiben wollt wegen des Klosters Klingental, denn Ihr wisst, was die Eidgenossen in dieser Angelegenheit beschlossen haben. Darum sei Euch in Erinnerung gerufen, dass zwei Eidgenossen, Heinrich Hasfurt, der ehemalige Schultheiss von Luzern, und Vogt Schiffli von Schwyz zur Zeit die erwähnte Angelegenheit gütlich regeln wollten. Aber die gütliche Einigung ist hinausgeschoben worden bis zum zweiten Fastensonntag. Es ist alles so vereinbart worden, wie es in den Abschriften und Briefen vermerkt ist, die wir Euch schicken. Dann wurde uns aber vom Grafen Oswald von Thierstein in einem versiegelten Brief mitgeteilt, er wolle nicht einlenken zu dem, was vereinbart worden ist. Darauf haben wir auch eine Absage von Albrecht von Klingenberg [Advokat des Grafen] erhalten, wie Ihr gut ersehen könnt in den beiden anderen Kopien, die wir den Abschriften beilegen. Wir bitten Euch nun, um Gottes willen und um des Friedens willen, dass Ihr auf unsere Kosten dem Herzog von Österreich einen Brief sendet, wie Ihr es unserem oben genannten Mitbruder versichert und wie Ihr es schon vorher Bruder Hans [Schlosser] mitgeteilt habt. Wenn wir heftig gegen Gott, Ehre und Recht beschuldigt werden, müssten wir die ungehorsamen Schwestern bannen und alle, die gegen die Sache [die neue Ordnung] sind, nach Rom vorladen lassen, so wie es uns unsere Oberen in Rom geschrieben haben. Wenn Ihr es nicht tun könnt, dann lasst wenigstens uns und unsere erwähnte Sache Eurem demütigen Gebet empfohlen sein! Bitte, lasst uns die Antwort, die Euch vom Herzog gegeben wird, wissen! Damit seid dem liebreichen Leiden unseres Herrn befohlen! Gegeben am Abend vor St. Antonius [12. Juni, Antonius von Padua] im Jahre des Herrn 1482. Prior und Konvent des Predigerordens von Basel
    
  
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